Jesus Rolls

Jesus Rolls

Originaltitel: The Jesus Rolls
Genre: Komödie
Regie: John Turturro
Hauptdarsteller: John Turturro
Laufzeit: DVD (83 Min) • BD (86 Min)
Label: EuroVideo
FSK 16

Jesus Rolls   03.04.2021 von Dan DeMento

23 Jahre hat der Kultstreifen The Big Lebowski schon auf dem Buckel und bisher ist er vortrefflich ohne eine Fortsetzung ausgekommen. Mit dem Spinoff Jesus Rolls hat John Turturro, der seinerzeit die Nebenfigur des Jesus Quintana bekleidete, das jetzt geändert - ohne die Coren-Brüder und ohne den Dude. Kann das funktionieren? Wir haben nachgesehen.
 
Inhalt:
 
Frisch aus dem Gefängnis entlassen denkt Bowlinglegende und Lebemann Jesus Quintana (John Turturro) nicht einen Moment daran, seine Verhaltensmuster zu ändern. Und so ist das erste, was er und sein bester Freund Peter (Bobby Cannavale) tun, einen schicken Oldtimer für eine Spritztour "auszuleihen". Der Besitzer des Wagens, Hairstylist Paul Dominique (Jon Hamm) ist damit nicht ganz so einverstanden, schießt auf Peter und verfehlt dessen bestes Stück dabei nur um Milimeter. Während Peter auf Rache sinnt, begeben sich Jesus und er, zusammen mit der Friseurin Marie (Audrey Tautou) auf einen irrwitzigen Roadtrip, der alles bietet, was der Mann mit dem Haarnetz liebt: Sex, Gewalt und - natürlich - Bowling.
 
Um die brennendste Frage direkt zu beantworten: Jesus Rolls hat mit dem Kultklassiker und Coen-Meisterwerk The Big Lebowski außer der Figur des Jesus Quintana exakt NICHTS gemein. Der Auftritt des "Mannes mit dem Haarnetz" beschränkt sich dort auf wenige Minuten, Darsteller John Turturro äußerte aber schon seit Jahrzehnten - und entgegen der strikten Keine-Sequels-Politik der Coen-Brüder - den Wunsch, noch einmal in die Rolle des Jesus zu schlüpfen. 2016 schließlich bekam er die Erlaubnis der Coens die Figur zu nutzen und machte sich umgehend - als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller - an die Produktion von Jesus Rolls. Ob darauf die Erkenntnis folgte, dass Jesus Quintana außer einem fragwürdigen Akzent und einem erotischen Verhältnis zu Bowlingkugeln nicht viel hergibt, oder ob der Plan von Anfang an so bestand, ist nicht klar - auf jeden Fall beschloss Turturro, sich nicht nur die Hauptfigur von einem Klassiker auszuleihen, sondern auch den gesamten Plot.
 
Besagter anderer Klassiker ist die französische Komödie Les Valseuses, in Deutsch Die Ausgebufften, der 1974 einem gewissen Gérard Depardieu zum Durchbruch verhalf. Dieser hatte hierzulande ein wenig unter der damals allgegenwärtigen Rainer Brandt Synchronisierung zu leiden, der zwar Bud Spencer und Terence Hill zu Legenden machte, andere Filme durch seine recht spezielle Art der Übersetzung aber nicht gerade aufwertete. Gerade in Frankreich gilt das Original aber immer noch als Kult und quasi unantastbar.
 
John Turturro hat hier also mit nur einem Sequel gleich zwei sehr große Türen eingetreten. Und leider muss man bei aller Bewunderung seines bisherigen Schaffens sagen, er hat seinen Job nicht sehr gut gemacht. Während Jesus Quintano als Hauptcharakter zwar dauerhaft extrem eindimensional bleibt, funktioniert er trotzdem deutlich besser als erwartet. Neben der offensichtlichen Anleihe der Hauptfigur hat sich Turturro aber auch stilistisch mal mehr, mal weniger offensichtlich bei den Coens bedient. Das zeigt sich von allem im Soundtrack, der stark von den Gipsy Kings - die sogar einen Cameo als Gefängnisinsassen haben - dominiert wird, aber auch in der Bildgestaltung. Ganze Einstellungen könnten so auch in The Big Lebowski oder in einer zeitgenössischen Version von O Brother, Where Art Thou? vorkommen.
 
Doch während Turturro sich bei The Big Lebowski nur unterschwellig bediente und somit von einem gewissen Nostalgie-Gefühl profitieren kann, zeigen sich in der Adaption von Die Ausgebufften, und damit in der Hauptstory, die Schwächen wesentlich deutlicher. Jesus Rolls stolpert von einer Szene in die nächste, ein roter Faden fehlt teilweise komplett, die Figurenzeichnung beschränkt sich auf Klischees und die Logiklöcher sind riesig. Weder nimmt man irgendwie Anteil an den Figuren selbst, noch an dem was ihnen passiert. Und selbst eine der wesentlichsten Szenen, die im Original eine Änderung im Leben der Hauptfiguren herbeiführte, wird in Jesus Rolls mit ein paar unterleibsorientierten Gags abgetan und nicht weiter beachtet.
 
Es gibt ein paar wirklich schöne Momente in Jesus Rolls, zum Beispiel einen äußerst gehässigen Dialog zwischen Jesus und einem Wachmann in einem Billigladen oder auch die erste Sexszene mit Audrey Tautou. Leider werden aber ausnahmslos all diese gelungenen Gags - und die sind ohnehin schon in der Minderheit - zu lang erzählt, unnötig ausgeschlachtet und dadurch komplett zerstört. Gute Komödien leben eben von einem präzisen Timing, und das fehlt John Turturro offensichtlich komplett.
 
Umso erstaunlicher ist es, was für ein Wahnsinnscast sich für diesen Streifen hergegeben hat. Gleich in der Eröffnungsszene werden wir von Christopher Walken als Gefängnisdirektor überrascht, wenig später folgen John Hamm, Audrey Tautou, Susan Sarandon, Pete Davidson - der seit meinem 2020er Lieblingsfilm The King of Staten Island zu meinen absoluten Favoriten gehört - und Tim Blake Nelson. Doch während man letzterem eine gewisse Verbundenheit aufgrund der gemeinsamen Zeit in oben erwähntem O Brother, Where Art Thou? unterstellen kann und es sich bei den anderen um halbwegs gelungene Gastauftritte handelt, ist doch zumindest in Fall von Audrey Tautou relativ unverständlich, wieso sie die Rolle der nymphomanen Friseurin Marie angenommen hat.
 
Natürlich ist ihre Glanzrolle in Die fabelhafte Welt der Amélie mittlerweile auch 20 Jahre her und Frau Tautou hat filmisch außerhalb von Frankreich in den letzten 10 Jahren nicht viel gerissen, trotzdem sollte sie so etwas nicht nötig haben. Es ist zwar beeindruckend zu sehen, dass sie in den letzten 20 Jahren quasi nicht gealtert ist, die Rolle in Jesus Rolls ist aber trotzdem weit unter ihrem Niveau. Und das liegt nicht an der Figur an sich, dass man sich in der Rolle einer Friseurin mit lockeren Moralvorstellungen zu Weltruhm spielen kann, zeigte ja nicht zuletzt Miou-Miou im Original der Stoffs. In Jesus Rolls ist die Figur aber einfach schrecklich schlecht geschrieben, trieft vor Klischees und muss sich, statt zu spielen darauf beschränken nackt und dämlich zu sein. Das ist genauso schade wie bei jeder anderen Figur des Films, der einfach keine Möglichkeit gegeben wird, halbwegs authentisch zu wirken.
 
So haben wir abschließend mit Jesus Rolls ein Musterbeispiel der verschenkten Möglichkeiten. John Turturro hätte die Möglichkeit nutzen können, der "Witzfigur" Jesus Quintana ein wenig mehr Tiefe zu verleihen, stattdessen hat er sich entschlossen, sie mit einem noch uninteressanteren und eigenschaftloseren Sidekick auf eine unmotivierte Odyssee zu schicken und damit das Andenken an gleich zwei sehr gute Filme zu beschmutzen.
 

Bildergalerie von Jesus Rolls (6 Bilder)

Details der Blu-ray:
 
Das Bild der Blu-ray ist scharf, die Farben natürlich und kräftig, einzig der Ausleuchtung merkt man in manchen Szenen das überschaubare Budget ein wenig an. Der Originalton ist gut, vielleicht ein wenig zu frontlastig und der Soundtrack spielt sich oft viel zu sehr in den Vordergrund, was aber wohl stilistisch beabsichtigt ist. Die deutsche Synchronfassung ist technisch in Ordnung, über die Besetzung einzelner Sprecher und die Verwendung von Akzenten ließe sich wohl streiten. Außer dem Trailer zum Film gibt es leider kein Bonusmaterial.


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Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

The Big Lebowski ist legendär, daran gibt es nichts zu rütteln. Der Dude, sein White Russian, Walter und natürlich auch "The Jesus" haben eine Generation geprägt. Daher habe ich mich auf das Spinoff gefreut und sämtliche Zweifel Jesus Rolls betreffend über Bord geworfen. Schon in den ersten Minuten kam mir der Plot dann aber eigenartig vertraut vor und ich musste nicht bis zum Abspann warten, um zu verstehen, dass er ein Remake von Die Ausgebufften ist. Leider wurde John Turturros Mut - oder seine Arroganz? - sich gleich mit zwei Klassikern anzulegen, nicht belohnt. Jesus Rolls ist zwar leidlich unterhaltsam, ist aber einfach zu flach, zu uninspiriert und über weite Strecken auch schlicht zu dämlich, um als auch nur durchschnittliche Komödie durchzugehen. Und das gilt sogar für Zuschauer, die keinen der beiden zugrundeliegenden Filme kennen. Schade!


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